Text: Michael Gratzer / Fotos: Stadtfeuerwehr Leibnitz
Als „Tage des blanken Horrors“ wird das vergangene Wochenende in die Leibnitzer Geschichte eingehen. Der ganze Bezirk wurde von schweren Unwettern und in weiterer Folge von einem nie dagewesenen Hochwasser heimgesucht. Aus diesem Grund mussten Gemeinden der Bezirke Leibnitz – auch die Stadt selbst–, Südoststeiermark sowie Deutschlandsberg, das südliche Kärnten und auch Teile Sloweniens, von den Behörden zum Katastrophengebiet erklärt werden.
Bereits Freitag früh galt es eine erste Verklausung aufgrund der enormen Wassermassen zu lösen. Im Laufe des Tages stiegen die Pegel sämtlicher Fließgewässer rapide an. Was zur Folge hatte, dass Teile des Leibnitzer Stadtgebietes bis zu einem halben Meter und teils sogar noch mehr unter Wasser standen. Schwer getroffen hat es vor allem den westlichen Stadtteil zwischen Altenmarkter Brücke bis hinauf zur Sulmbrücke im Bereich des Städtischen Bades. Bereits frühzeitig wurde daher eine erhöhte Alarmbereitschaft ausgerufen und mit der vorzeitigen Mobilisierung von Kameraden innerhalb der Stadtfeuerwehr Leibnitz begonnen. Erste Auspumparbeiten sowie das Schützen von Gebäuden mithilfe von Sandsäcken forderte die Einsatzkräfte bereits am Nachmittag.
Weitere Unwetter mit starken Regenfällen verschärften die Lage von Stunde zu Stunde zusehends. Was zahlreiche Straßensperren erforderlich machte: Die Rudolf-Hans-Bartsch-Gasse musste ab dem Viehplatz aufgrund von starken Überflutungen gesperrt werden, ebenso die Klostergasse ab dem Diesel Kino. Bereits am Nachmittag tagte erstmalig auch ein Krisenstab, welcher umgehend einen Notfall-Evakuierungsplan ausarbeitete sowie das weitere Vorgehen beschloss. Beteiligt waren dabei Vertreter der Feuerwehren, der Leibnitzer Bürgermeister Mag. Michael Schumacher, Wagnas Bürgermeister Peter Stradner sowie Mitarbeiter des Wirtschaftshofes Leibnitz.
Dieser Plan sah vor, dass in der Reinhold Heidinger Sporthalle Notschlafstellen errichtet werden, was unter der Einsatzleitung von Brandmeister Christian Arzberger auch sofort umgesetzt wurde. In regelmäßigen Abständen fanden weitere Krisenstabssitzungen im Rüsthaus statt, in denen Vertreter der Feuerwehr, der Gemeindeverwaltung, der Behörden sowie andere Blaulichtorganisationen beratschlagten und das weitere Vorgehen koordinierten. Die enge Zusammenarbeit und der rasche Informationsaustausch untereinander waren ein entscheidender Vorteil, um eine effektive Krisenbewältigung unkompliziert gewährleisten zu können.
In den Abendstunden des Freitags trat gegen 22 Uhr dann der befürchtete Ernstfall ein: Das Seniorenwohnheim Klostergasse sowie das JUFA mussten evakuiert werden, da die Gefahr für das Leben der Bewohner zu groß wurde. Von den Kameraden wurden die Bewohner teils ins Trockene getragen und in eine Notschlafstelle gebracht. Zeitgleich wurde auch das Pflegeheim in Kaindorf von den ortszuständigen Kameraden evakuiert, um keine unnötigen Risiken einzugehen. Durch das rasche Eingreifen der Einsatzkräfte konnten alle Bewohner rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden und es mussten keine Verletzten beklagt werden.
Der Ortsteil Seggauberg war zu diesem Zeitpunkt schon per Landweg sogar komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Zusätzliche Probleme bereiteten den Einsatzkräften vor allem Schaulustige, die sich nicht an Anweisungen hielten und auch Straßensperren ignorierten, wodurch sie ihr eigenes Leben unnötig in Gefahr gebracht haben und an andere Stellen benötigte Ressourcen der Einsatzkräfte erforderlich machten.
Unter der Einsatzleitung von ABI d.F. Ing. Gottfried Roiko war die Einsatzbewältigung am Samstag äußerst erschwert möglich. Wegen der starken Überflutungen war ein Auspumpen der Keller sowie das Freimachen von Verkehrswegen wenig bis gar nicht möglich. So wurden in regelmäßigen Abständen zumindest Kontrollfahrten durchgeführt. Ein kleiner Teil von sich noch im JUFA befindlichen Personen wurde mit den Zillen der Feuerwehren Hasendorf und Untergralla evakuiert. Im Rüsthaus der Stadtfeuerwehr Leibnitz wurde im Funkraum überdies eine Einsatzleitung für das gesamte Wochenende eingerichtet, um eine zentrale Stelle für alle Meldungen zu haben. Aufgrund eines aufgeschwemmten Heizöltankes und Austritts von Heizöl wurde zusätzlich auch das GSF Lebring alarmiert, das eine Ölsperre errichtet und das ausgeflossene Heizöl abgepumpt hat. Aus der Obersteiermark traf als weitere Unterstützung der KHD-Zug 49 aus Knittelfeld im Rüsthaus Obergralla ein. Mit einer eigenen Einsatzleitung übernahm dieser den Bereich Lahnweg und Fink. Das Eintreffen des KHD-Zuges war ein zusätzlicher großer Hoffnungsschimmer und eine enorme Unterstützung im schier aussichtslos scheinenden Kampf gegen die enormen Naturgewalten.
Nachdem die Wetterprognosen für Sonntag etwas besser wurden und sich das Wasser auch langsam zurückzog, konnte mit den Aufräumarbeiten begonnen werden. Im Bereich der Altenmarkter Brücke wurden mittels SRF-Kran sowie mit dem des WLF Kaindorf erneut auftretende Verklausungen in der Sulm gelöst. Des Weiteren konnte mit Auspumparbeiten in der Hofau, im Lahnweg, in Altenmarkt sowie in der Klostergasse begonnen werden. In Letzterer kam für die Vielzahl an Tauchpumpen auch der Stromanhänger der Stadtfeuerwehr zum Einsatz. Unterstützt wurde die Stadtfeuerwehr dabei von den Kameraden aus Neudorf an der Mur und Gabersdorf.
Doch auch am Montag waren die Spuren dieser verheerenden Tage noch lange nicht beseitigt. Letzte Verklausungen wurden mit dem SRF im Bereich der Altenmarkter Brücke beseitigt und durch den weiteren Rückgang des Wassers konnten zahlreiche Keller ausgepumpt werden. Dieser vierte Tag der Katastrophe war trotz des großen Unglücks ein erster Lichtblickmoment. Die Einsatzkräfte konnten die Katastrophensituation immer mehr unter Kontrolle bringen, doch es stehen noch viele Tage intensiver Aufräumarbeiten bevor, um wirklich alle Spuren der Zerstörung zu beseitigen. Ebenso wurden Montag auch die Straßensperren der Stadtgemeinde wieder aufgehoben, was teilweise jedoch auch schon am Sonntag geschah. Weiters wurde die Einsatzbereitschaft aller Fahrzeuge mitsamt den Gerätschaften wiederhergestellt und von Grund auf gereinigt.
Aus Sicht der Stadtfeuerwehr waren an diesen vier ereignisreichen Tagen insgesamt 42 Mann im Dienst, 127 Einsätze wurden abgearbeitet und unglaubliche 2846 Mannstunden geleistet. Ein besonderer Dank gilt allen eingesetzten Kräften sämtlicher Behörden und Blaulichtorganisationen für ihren unermüdlichen Einsatz in diesen tragischen, kräftezehrenden und unfassbaren Stunden. Außerdem möchten wir uns bei der Zivilbevölkerung für die vielen Hilfsangebote bedanken. Ebenso bei unserer Gastronomie, die die Einsatzkräfte versorgt hat. Diese Tage werden mit Sicherheit allen in schlimmer Erinnerung bleiben. Doch sie haben auch gezeigt, dass man sich in Zeiten der Not aufeinander verlassen kann.